Dr. Platte. Kalle Laar bringt die Vortragsreihe 'Stimme des Arztes' zurück
Vom Volkskörper, den es gesund zu halten gelte, ist sinngemäß die Rede in diesen Aufnahmen.
Aber auch davon, dass Ärzte nie wieder systematisch den hippokratischen Eid brechen dürften
wie während der Nazizeit.
Die Diktion der dreißiger Jahre klingt mitunter noch an in der historischen Schallplattenserie Distar - Die Stimme des Arztes. Diese ist ein kurioses Sammelsurium medizinischer Vorträge, die der Verlag Dr. Edmund Banaschewski von den fünfziger bis in die siebziger Jahre hinein veröffentlicht hat. Einige Redner drücken sich dabei so verstiegen aus, dass sich im Vergleich dazu medizinische Standard-Nachschlagewerke wie Unterhaltungsliteratur lesen. Dann wieder staunt man, dass es bereits bald nach dem Weltkrieg ein Bewusstsein für Ökologie gab oder wie bekannt die Schädlichkeit des Rauchens war.
Ergebene Körperlichkeit
Kalle Laar hat aus diesen Aufnahmen das Hörspiel Distar oder Phobophobia montiert. Auf der
einen Seite ist es ein reines Dokumentarhörspiel, skurril zwar, aber stets auf dem Boden der damaligen Tatsachen. Zum Hör-Spiel wird die Produktion durch das (unfreiwillig) Kabarettistische vieler Vorträge sowie durch elektronische Musik, die so nüchtern ist wie das Gesprochene und dadurch zur Verfremdung beiträgt. Denn das Verhältnis zum eigenen Körper, zu Gesund- wie Krankheit ist ergebener, auch aufrichtiger gewesen als heutzutage. Das wird besonders deutlich, wenn man Distar oder Phobophobia als Fortsetzung hört von Björn Bickers Kingdom of schön, jenen Klagegesang plastischer Chirurgen, den die Hörspielredaktion des BR Ende März urgesendet hat.
STEFAN FISCHER